Take my Help #2: Anonym aus Unbekannt – Social anxiety

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Hallo lieber Gerry. Nach deinem ersten Welpen Beitrag, den ich nebenbei bemerkt super fand, hab ich mich dazu entschlossen, dich um Rat zu fragen. Es ist seit einiger Zeit ein Gedanke in meinem Kopf, welcher nicht verschwindet. Er bohrt sich immer tiefer in meinem Kopf ein und ich frage mich inzwischen: Ist das normal?

Zu meiner Vorgeschichte:
Ich hatte früher bereits Probleme mit Depression und war aufgrund dessen auch für einige Zeit in Behandlung. Es hat mir ein wenig geholfen, wie ich alleine mit meinem inneren Dämon umgehen kann ohne zu tief zu fallen. Während meiner Therapie hab ich meinen Partner kennen gelernt, welcher, seitdem die Therapie vorbei ist, mir zur Seite steht und mich aufbaut. Trotzdem gibt es natürlich immer wieder Ups und Downs. Nicht zuletzt wegen meiner Social Anxiety, oder zu deutsch: Sozialphobie. Mir fällt es extrem schwer, mit mir fremden, Menschen zu reden und allgemein hab ich deshalb wenig Freunde. Ich sitze bspw. in der Pause in meiner Berufsschule komplett alleine auf einer Bank, weil ich nicht weiß wie ich mit den anderen eine Verbindung aufbauen sollte.

Generell ertrage ich die Anwesenheit von Menschen nicht lange ohne genervt oder fertig zu sein. Es gibt bis dato nur 3 Menschen, mit denen ich länger als 24h beisammen sein kann, ohne durchzudrehen. Mit 2 davon könnte ich es, denke ich, auch lebenslang aushalten. Mir fällt es auch schwer, regelmäßigen Kontakt zu Menschen zu halten, da ich mir denke, dass ich den anderen sowieso nur nerve. So passiert es, dass ich zu vielen Menschen, die ich eigentlich sehr gut leiden kann, den Draht verliere und der Kontakt langsam aber sicher verschwindet. Trotzdem muss man erwähnen, dass ich bis vor circa 1 1/2 Jahren noch nicht einmal eine Kinokarte kaufen konnte, ohne das mir schlecht wurde, ich komplett nervös wurde und schon einer Panikattacke nah war. Das hat sich aber inzwischen gebessert. Inzwischen geht das (einigermaßen) klar. In letzter Zeit habe ich aber persönlich das Gefühl, es würde nichts vorangehen. In meiner Persönlichkeit meine ich. Es ist, als würde ich feststecken. Und das Schlimmste ist, dass ich in meiner Berufsschule sehr, sehr viele Präsentationen halten muss, was für mich der absolute Horror ist.
(Ich habe jetzt einfach meine Gedanken aufgeschrieben und hoffe, dass das Ganze nicht zu verwirrend ist.)

Ich wollte dich also fragen: Ist das (relativ) normal? Und hast du vielleicht Tipps, wie ich besser damit umgehen kann?

Vielen Dank fürs Lesen, es ist echt schön, sich mal die Gedanken von der Seele zu schreiben.
Liebe Grüße Anonym


Hallo Anonym.

Erst einmal vielen Dank für deine aufbauenden Worte zu diesem Projekt. Ich freue mich darüber, dass der erste „Brief“ andere animiert, sich ebenfalls zu trauen, über ihre Sorgen und Probleme zu reden. Kommen wir aber nun ohne weitere Umschweife zu deinem Anliegen.

Mir wirft sich generell eine Frage auf: Wenn dir die Therapie, zumindest ein bisschen, geholfen hat, wieso machst du sie dann nicht mehr? So wie sich dein Text liest, fehlt dir durchaus eine Begleitung.

Dass du davon ausgehst, dass du andere Menschen nervst, kenne ich sehr gut. Das kann durchaus dafür sorgen, dass man sehr in sich selbst gekehrt ist. Oder sogar, dass man die Motivation zu allem verliert. Ich habe mir dadurch eine ganz schlechte Angewohnheit zu eigen gemacht.

„Wenn ich dir auf die Nerven gehe, sag es bitte!“

Dieser Satz begleitet mich sehr lange. Immer wenn ich den Eindruck habe, dass jemand nicht mit mir reden will, sprudelt dieser Satz, oft ohne, dass ich darüber nachdenke, einfach heraus. Und ich habe dafür viel Kritik geerntet.
Hier solltest du selbst anfangen, diesen Gedanken zu verwerfen. Glaube daran, dass Menschen dir direkt sagen, wenn du ihnen auf die Nerven gehen solltest. Nur selten behalten sie das für sich. Von vornherein davon auszugehen, kann durchaus wundervolle Begegnungen verhindern und du verpasst sehr viel.

Kommen wir nun zum Kern deiner Frage: Ja es ist normal, dass du den Eindruck hast, es würde nichts vorangehen. Das liegt aber primär daran, dass du dir selbst nichts zuzutrauen scheinst. Vor allem nicht im Zusammenhang mit anderen Menschen. Und das bremst dich unheimlich aus.
Du schriebst, dass du in deiner Berufsschule viele Vorträge halten musst. Dafür gibt es ein paar Tipps. Du brauchst dafür deine Aufzeichnungen, einen Spiegel und irgendein Gerät, womit du die Umgebung aufnehmen kannst.

Vor einem Vortrag, am besten zwei Abende vorher, stellst du dich vor einen Spiegel, schaltest das Aufnahmegerät ein und ratterst so ruhig wie möglich deinen Vortrag herunter. Achte dabei genau auf deine Betonung und den Inhalt, welchen du wiedergibst. Wichtig ist, dass du trotz dessen den Augenkontakt zu dir selbst nicht verlierst.
Wenn du fertig bist, hörst du dir die Aufnahme an. Prüfst sie auf Stimmenschwankungen, inhaltliche Korrektheit und Festigkeit in deinem akustischen Auftreten. Das machst du solange, bis du mit dem Ergebnis zufrieden bist. Du wirst feststellen, dass du am Ende des Tages, was speziell diesen Vortrag betrifft, selbstsicherer sein wirst. Und beim Vortrag selbst, suchst du dir mehrere Punkte im Klassenraum, zwischen denen Du deinen Blick ruhig hin und her wechselst. So vermittelst du den Eindruck, dass du bei deinen Mitschülern bist. Eine Wand anzustarren hilft zwar auch, aber das arbeitet nicht gegen deine Anxiety.

Ich würde dir raten, dass du in jedem Fall vielleicht wieder eine Therapie aufnimmst. Es muss ja keine Wöchentliche sein, aber einmal im Monat könnte es dir sicher nicht schaden. Und wenn du dort Fortschritte machst, fallen dir andere Dinge auch wieder leichter. Wichtig ist, dass du nicht in ein Loch aus Demotivation und Inaktivität fällst. Und wenn doch, erlaube Menschen, welche dich gerne haben, dich da wieder herauszuziehen.
Wenn du jemanden sympathisch findest, gerade in der Berufsschule, gehe auf ihn zu. Du musst ihn/sie nicht heiraten aber es kann helfen, jemanden für sich gewonnen zu haben.

Selbstaufgabe steht niemandem. Such dir allgemein Aktivitäten, die dir Spaß machen. Geh raus, lerne die Welt kennen. Knüpfe neue Bande und es wird immer jemand für dich da sein, der dich auch durch Scheiß Zeiten begleitet.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Du kannst alles machen, wenn du es dir selbst erlaubst. Sprich Leute an, tätige Selbstübungen mit Diktiergerät und Spiegel, Brust raus, Bauch rein, Kopf hoch. Denn ist die Schnauze oben … Nein das geht nicht. Aber du weißt, was ich meine. Gib nicht auf und arbeite jeden Tag ein bisschen an dir selbst. Und gib Menschen eine Chance dir zu beweisen, dass du nicht nervst.

Liebe Grüße
Gerry


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1 Kommentar zu „Take my Help #2: Anonym aus Unbekannt – Social anxiety“

  1. Vielen dank für die Schnelle Antwort, lieber Gerry
    Ich hab mir jetzt ein paar Tage zeit genommen und mir Gedanken über deine Worte gemacht.
    Ich hatte heute eine Präsentation und habe mich tatsächlich am Tag vorher vor einen Spiegel gestellt und das ganze aufgesagt. Anfangs kam ich mir komplett bescheuert dabei vor, aber nach einiger Zeit war ich richtig “im Flow” und es ging echt gut und dazu hab ich auch noch das gelernt, was ich sagen musste. Es viel mir tatsächlich leichter vor den Leuten zu sprechen, auch wenn es sicherlich noch nicht perfekt war und meine Erkältung stark dazu beigetragen hat, dass ich zwischendrin einen kurzen black out hatte (Meine Stimme hat mitten im Satz abgebrochen), was mir wieder ein bisschen Unsicherheit gegeben hat, doch kurz räuspern, tief durchatmen und schon ging es wieder. Es ist natürlich learning by doing und es wird noch einige Zeit brauchen um wirklich sicher zu sein, aber es ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, habe ich zumindest so im Gefühl.
    Wieder eine Therapie anzufangen ist realtiv schwer, die Psychologen sind bei mir in der Gegend alle voll mit Terminen, der frühest mögliche wäre erst im Februar, ich habe erstmal zugesagt, allerdings kann es sein, dass er sich noch weiter nach hinten verschiebt. Ich hoffe zumindest das alles klappt :)
    Danke nochmal für deine hilfreiche Antwort ☺️
    Liebe Grüße Hati

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